Dienstag, 5. März 2013

Raumklang:
Von Quadrophonie bis Dolby Digital

Wenn man heute die Heimkino-Abteilung diverser Elektrofachgeschäfte betritt, oder sich die Ausstattung von Kinosälen anschaut, ahnt man nur noch wenig von den ursprünglichen Herausforderungen der Audiobranche den Mehrkanalton verkaufsfähig zu machen.

Überall wimmelt es von Logos und Emblemen diverser Anbieter, die Geräte bieten eine ganze Palette von Features und Räume scheinen keine Herausforderung mehr zu sein. Das war nicht immer so.

Aus der Krise...

Angefangen hat alles vor über 60 Jahren, um genau zu sein im Jahre 1941, als Walt Disney seinen Film "Fantasia" in die Kinos brachte. Ein liebevoll inszeniertes und sehr aufwendig gezeichnetes Spektakel seiner Zeit. Extra für diesen Film haben sich William E. Garity und John N. A. Hawkins im Auftrag von Disney ein neues, extra auf diesen Film zugeschnittenes Soundkonzept ausgedacht. Drei Frontkanäle und ein Effektkanal, der auf zwei hinteren Lautsprechern wiedergegeben wird anstelle von klassischem Stereo. Sie benannten es nach dem Film - Fantasound. Die Umbauarbeiten für die Kinos waren damals so aufwendig und teuer, dass nur zehn Säle sich diesem Projekt annahmen. Es war rein wirtschaftlich ein Flop, für die Kinobetreiber aber ein erster und wichtiger Schritt in Richtung Surround Sound. In den 50er Jahren steckte die Kinobranche in einer schweren Krise. Die Zuschauer blieben aus. Das Konkurrenzprodukt nannte sich Fernsehen. Es wurde also fleißig an Neuerungen getüftelt, um die Gäste wieder anzulocken. Es entstanden eine Vielzahl neuer Bild und Tonformate, darunter das 35mm Breitwandverfahren. Im Bereich Ton tat sich allerdings lange Zeit nichts Nennenswertes.
... zur Quadrofonie

Erst als nach der Erfindung der Kassette auch der HiFi-Markt an Stereogeräten gesättigt war, regte sich wieder etwas. Zum ersten und wahrscheinlich letzten Mal kam ein Surround-Trend aus der Musikbranche anstatt aus den Kinos. Das Zauberwort hieß Quadrofonie. Die Audioliebhaber waren schon lange auf der Suche nach etwas Neuem und dieses Konzept erschien damals sehr einleuchtend. Anstatt zweier Mikrofone für Stereoaufnahmen zu benutzen, nahm man nun vier gleiche Mikrofone in einem Winkel von 90° zueinander ausgerichtet. So wollte man nicht nur die Musik, sondern auch den Raum einfangen. Zur Wiedergabe benötigte man allerdings nicht nur vier Boxen, die jeweils als Stereopaar vor und hinter dem Hörer aufgebaut wurden, sondern auch die passenden Abspielgeräte und Verstärker. Ursprünglich waren das zumeist Tonbandmaschinen, da man bis dahin keine Möglichkeit gefunden hatte Quadrofonie schallplattentauglich zu machen. Es war also ein immenser finanzieller Aufwand und benötigte eines gewissen technischen Verständnisses, wollte man Quadrofonieaufnahmen herstellen oder wiedergeben. In der Musikbranche fand die Idee der Quadrofonie vor allem bei zeitgenössischen Künstlern großen Anklang, die nicht nur Raumklang aufnehmen wollten, sondern gleich ihre ganzen Platten mitsamt Gitarrensolo quadrofon mischen ließen. Die bekanntesten unter ihnen, die auch noch bis in die 80er Jahre quadrofon produzierten, sind wohl John Lennon, Pink Floyd und Kraftwerk. Auch heute noch bekommt man diese Aufnahmen zu kaufen. Jetzt aber natürlich "digitally remastered" für Surround-Systeme.

Von Sensurround...

Parallel zur Musikwelt entwickelte sich auch die Tontechnik des Kinos weiter. Im Jahre 1974 wurde zum ersten Mal ein Verfahren eingesetzt, dass als die Geburtsstunde des heutigen Subwoofers gilt. Es nannte sich Sensurround und beinhaltete 10 überdimensionale Lautsprecher, die Töne bis 15Hz wiedergeben konnten. Der Kinofilm "Earthquake" konnte deshalb vor allem bei den Zuschauern durch authentische Bässe und einen Schalldruck von bis zu 120 dBA punkten. Bei einem anderen Film "Achterbahn" wiederum rieselte durch den Starken Schalldruck der Staub von der Decke, in einem Kino in den USA brach sogar ein Teil der Decke ein.


Der Film Earthquake brachte 1974 die Kinosäle zum ersten Mal zum Beben.
Quelle: http://waiversharks.com/ramble-and-gamble/files/2008/08/image002.jpg

Zusammengefasst zeichnet die Zeit der 60er und 70er im Hinblick auf den Ton in den Kinos und im Wohnzimmer eines auf jeden Fall aus: es gab unglaublich viele verschiedene und vor allem aufwendige Systeme, die alle ihre Vor- und Nachteile besaßen. Es gab keinerlei Normen und dadurch eine sehr hohe Inkompatibilität der Formate. Die Kosten für die Anschaffung der Technik waren sehr hoch und die Formatvielfalt erschlagend groß. Aus diesem Grund war der Markt perfekt vorbereitet für eine Erfindung, welche die Tonwelt nachhaltig revolutionieren sollte. Hier kommt die Firma Dolby ins Spiel. Im Jahre 1976 entwickelte sie das Format Dolby Stereo, nach dem Vorbild der Quadrofonie bestehend aus vier Kanälen allerdings für Links, Mitte, Rechts und Hinten, ähnlich dem Fantasound des Kinos. Das interessante dabei war, dass es zum ersten Mal eine Art Abwärtskompatibilität gab. Falls also kein quadrophones System vorhanden war, konnte das Medium auch in Stereo wiedergegeben werden, da diese vier Kanäle durch ein Matrixsystem und Mithilfe von Phasendrehungen auf zwei Kanäle heruntergemischt sind, Left Total (LT) und Right Total (RT). In einem Dolby Stereo tauglichem Gerät wurde also LT und RT in Links, Mitte, Rechts und Hinten dekodiert, auf allen anderen war es ein vollwertiges Stereosignal. 

Dieser Meilenstein löste nicht nur in den Kinos einen Surround-Boom aus, den wir noch bis heute spüren können. Bereits ein Jahr nach der Einführung von Dolby Stereo, dem ersten 4.0 Standart, kam mit dem Film "Star Wars" das Format Dolby Surround auf den Markt, was man als die erste Heimkinovariante von Dolby Stereo bezeichnen könnte. Noch im gleichen Jahr setzte die Firma einen drauf und schuf einen Format, das lange Zeit das Nonplusultra des Kinosounds war und in vielen Kinos vom Prinzip her auch noch ist, Dolby Stereo 6Track mit der uns bis heute gut vertrauten 5.1 Aufteilung in Links, Mitte, Rechts, Links Hinten, Rechts Hinten und Subwoofer.

... bis THX

Sechs Jahre lang tobte sich die Branche aus und erforschte und erprobte diese Konzepte zur Freude des Konsumenten. Der Kinobranche ging es besser denn je und auch im Bereich Heimkino tummelten sich nun wieder viele, die sich anstecken ließen, das Kinoerlebnis nach Hause zu holen. Bis im Jahr 1983, durch George Lucas initiiert, die Firma THX gegründet wurde. THX ist nicht, wie viele annehmen ein weiteres Format, sondern entstand aus dem Gefühl der Tontechniker von "Star Wars: Rückkehr der Jedi Ritter", dass sich ihr Film in jedem Kinosaal anders anhörte. Nachvollziehbar, verbaute doch jeder Betreiber andere Lautsprecher und andere Frequenzweichen und stellte die Boxen anders auf. Ganz zu schweigen von den Räumen in denen die Filme liefen. THX wurde also gegründet als eine Art Kino-TÜV. Es sollte sichergestellt werden, dass jeder von THX geprüfte Film in von THX ausgezeichneten Sälen gewissen Mindeststandards entspricht im Hinblick auf Akustik, Technik und Ton- sowie Bildqualität. Wollte ein Betreiber eine THX Auszeichnung, so mussten Ingenieure der Firma kommen und alles überprüfen. Zusätzlich bezahlten und bezahlen auch heute noch alle von THX zertifizierten Kinos und Filme nicht unerhebliche, jährliche Lizenzgebühren.

Dieser Comic ist aus dem Hause THX und beschreibt den Boom der 80er treffend.
Quelle: stammt aus einem Newsletter der Firma THX

Unabhängig von diesen Qualitätsmanagement-Bestrebungen entwickelte sich Ende der 80er Jahre das digitale Zeitalter rasend schnell voran. Das bereits aus Dolby Stereo bekannte Matrixkodierverfahren für Kinos wurde 1986 für den Heimanwender weiterentwickelt und heißt seitdem Dolby Pro Logic. Auch das Kinoformat Dolby Surround 6Track findet 1991 schließlich sein digitales Pendant – Dolby Digital, welches auf einem AC3 Codec ähnlich dem MP3-Verfahren basiert. Es unterstützt immer noch sechs diskrete Kanäle und bleibt auch weiterhin abwärtskompatibel. Beste Voraussetzungen in Zukunft auch den Heimkinomarkt für sich zu erschließen. Wäre da nicht die Konkurrenz, die zwar lange patentrechtlich zum Schlafen verurteilt wurde, aber sich nun nicht länger unterdrücken ließ.

Von der digitalen Revolution...

Von den Universal Studios und Steven Spielberg finanziert, wurde 1993 die Firma DTS ist Leben gerufen. Sie entwickelte ein eigenes Mehrkanaltonsystem, zuerst für die Kinos, welches den Filmton nicht auf der Kinokopie speichert, sondern auf bis zu drei separaten CDs, die per Timecode zum Film synchronisiert werden. Das DTS-System für den Endkunden unterscheidet sich gravierend von dem der Kinos. Der Ton ist dabei allerdings ebenfalls datenreduziert und in bis zu sieben diskreten Kanälen gespeichert, zusätzlich ist eine wesentlich höhere Bitrate möglich als bei den Produkten von Dolby. Bei DTS-fähigen DVDs sind bis zu 1500 kbit/s denkbar. Das einzige Problem der Firma DTS, bis auf das neuste Produkt DTS NEO:6 ist keines der Formate abwärtskompatibel.

Zwischenzeitlich mischt Sony mit seinem Format SDDS im Kinobereich ordentlich mit. Das erste diskrete 7.1 System mit fünf Lautsprechern Vorne, zwei Hinten und einem LFE-Kanal, was für Low Frequency Effect steht. Auch hier ist der Ton datenreduziert. Die Besonderheit daran ist, dass SDDS ein digitales Backup beinhaltet, deshalb ist es so interessant für Kinos. Das System ist allerdings relativ teuer und genau betrachtet nur bei Sälen ab 600 Plätzen sinnvoll. Im Heimkinobereich ist es daher nicht vertreten.

Einen Schritt weiter ging Dolby mit Einführung von Dolby Digital EX im Jahr 1999, welches sieben diskrete Kanäle unterstützt und erstmalig einen Center Surround etabliert. Auch das Matrixverfahren Dolby Pro Logic erlebt im Jahre 2000 eine Renaissance und es wird Dolby Pro Logic II erschaffen. Die ersten, alltagstauglichen und digitalen 5.1 Matrix-Systeme in voller Abwärtskompatibilität für Zuhause entstehen. Es folgt darauf basierend Dolby Digital Plus speziell für HD-DVD und Blue-Ray mit einer Konfiguration bis 13.1.

Die Firma DTS bietet, ähnlich wie Dolby das Digital EX, ein diskretes 6.1 System an, kurz DTS ES genannt. Zusätzlich setzt DTS neue Schwerpunkte mit dem Format DTS 96/24. Hochauflösendes 5.1 in unkomprimierter Qualität.

Bei all dem Formatkrieg scheint es umso interessanter zu werden, welche Konzepte überhaupt von den Herstellern übernommen und angeboten werden. Viele Hersteller bieten neben den Standards der Branche nämlich auch eigene Lösungen an, um ihr Konzept von idealem Surround-Sound an den Mann oder die Frau zu bekommen.
... bis heute

Stichprobe: Yamaha AV-Receiver RX-A2020. Dieses Gerät ist auf eine 7.1 Konfiguration ausgelegt, unterstützt aber bis zu neun Lautsprecher angesteuert über zwei Zonen. Scheint auf Anhieb wie eine clevere Lösung um zwischen Stereo und Surround zu wechseln, aber weit gefehlt. Über einen proprietären Cinema DSP 3D Modus lassen sich die zwei zusätzlichen Kanäle in das Surround-Setup integrieren. Das Ergebnis sind zwei Ambient Lautsprecher, die sich einen Teil des Signals der Frontlautsprecher herausfiltern und beliebig aufstellen lassen, um das Surround-Feld über bestehende Standards hinaus zu erweitern. Die ebenfalls interessante Option 9-Channel Stereo ist eine DSP gestützte Form, um aus einem Dolby Digital-Signal ein echtes Stereosignal zu kodieren, oder einfach nur eine handelsübliche CD auf der ganzen Anlage zu hören. Die Firma DENON hingegen verlässt sich bei ihrem AVR 3313 ganz klassisch auf das matrixbasierte DTS NEO:6, welches ebenfalls per psychoakustischer Umrechnung ein Stereosignal in Surround verwandeln kann.


Die Heimkinoabteilung der Elektrofachmärkte lädt zum experimentieren und ausprobieren  ein.
Quelle: wurde vom Autor persönlich am Gerät fotografiert

Wer sich eine Zeit lang mit Surround beschäftigt hat, kommt um die Firma Audyssey, die sich auf Raumkorrekturalgorithmen spezialisierte, nicht herum. Einzelne Boxen können so individuell je nach ihrer Position im Raum angepasst werden. Oft besteht auch die Möglichkeit, die durch verschiedene Abstände zur Hörposition zustande kommenden Laufzeitunterschiede des Schalls auszugleichen. Eine Anzahl großartiger Algorithmen und Schaltungen der Firma Audyssey sind bereits in einer Vielzahl von AV-Receivern der meisten Hersteller integriert. Sie erweitern oft auch das klassische 5.1-Konzept durch DSP-gestütze, virtuelle Kanäle die den Klangraum in der Breite ergänzen. Gelernt haben sie ihr Handwerk als Ausstatter der IMAX-Kinos. Zu einer ihrer Spezialitäten gehört es, Lautsprechersysteme zu konfigurieren, die neben der zweidimensionalen Fläche des Hörens auch die Höhe mit einbeziehen. So genannte Height-Channels erweitern das Klangfeld über den Center-Speakern.

Ebenfalls erwähnenswert sind die Bemühungen der Firma Harman, die mit ihrem Produkt Logic 7 ein dynamisches Surround-System geschaffen haben, um Stereo und Surround-Signale mit dem Schwerpunkt auf Echtheit wiederzugeben. Dabei werden Eingangs- und Ausgangsleistung des Signals ständig miteinander verglichen und gegebenenfalls Pegel einzelner Boxen in Echtzeit angepasst. Die Idee dahinter ist, dass man so sicherstellen möchte, dass einerseits eine Stereo-CD in originalen Mischungsverhältnissen wiedergegeben wird plus zusätzlicher Raumoptimierung mithilfe von psychoakustischen Surround-Signalen, die Anlage aber auch zu jeder Zeit bereit ist, ein Full-Surround-Signal in Originalität wiederzugeben. Das funktioniert laut Hersteller am besten in kleinen Räumen, was der Grund dafür ist, dass man diese Anlagen vorwiegend in Fahrzeugen findet.

Im Großen und Ganzen bleibt an Sie nun nur noch der Hinweis, das hier geballte Hintergrundwissen über die Geschichte und die Konzepte des Raumklangs anzuwenden. Gehen sie doch mal zum Händler ihres Vertrauens und fragen sie nach, ob er eine Anlage mit Sensurround-Funktion hat. Zur Freude ihrer Nachbarn.

Surround-Sound im Zeitraffer
1940 Kino in Mono
1941 Fantasound, eigens für Disney und den Film "Fantasia" entwickelt. Drei Frontkanäle (L/C/R) und ein Effektkanal (Surround), sehr aufwendige Umbauten seiner Zeit
1950 Kinokrise, Konkurrenz durch Fernsehen Eskalation des Erfindergeists in Bild und Ton
1958 Stereo Schallplatte
1961 Stereo Radio
1970 Stereo Kassette
1970 Quadrophonie als Matrix und Diskretformat in der Musikszene, aufgrund von unterschiedlichen und zueinander inkompatiblen Produktansätzen hat sich das Format nicht etabliert
1974 Sensurround, die Geburtstunde des Subwoofers
1976 Dolby Stereo, 4.0
1977 Dolby Surround, Einführung mit "Star Wars“
1982 Compact Disc
1983 THX, der neue "Kino-TÜV"
1984 Dolby Pro Logic I
1986 Stereo TV
1991 Dolby Digital 5.1, kompatibel zu Pro Logic, Stereo und Mono
1993 DTS 6.1
1994 SDDS, Sony Dynamic Digital Sound 7.1
1997 Dolby E für Broadcast Produktion, kann Metadaten, damit ist eine
Manipulation der Endgeräte beim Verbraucher möglich.
1999 Dolby Digital EX 6.1
2000 Dolby Pro Logic II
2003 erste Ausstrahlung des digital-terrestrischen Fernsehens im surroundfähigen Format AC3
2009 Dolby Digital Plus 13.1 für HD-DVD und BluRay

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